Offener Brief-Stellungnahme

Allgemein

Offener Brief-Stellungnahme

Allgemein

Offener Brief-Stellungnahme der Geschäftsführung Haus Helena

04.12.2020

Es ist mir und meinem Team ein Bedürfnis, nachdem wieder Ruhe in unsere Arbeitsabläufe eingekehrt ist, Stellung zu dem Infektionsgeschehen im Haus Helena zu nehmen.

An dieser Stelle möchte ich zuerst darauf hinweisen, dass es hierbei nicht um irgendeine Form der Rechtfertigung meinerseits oder meines Teams geht, sondern um die Information interessierter Mitmenschen, Lieferung von Fakten und Klarstellung der pflegefachlichen Sicht für die gesamte Mitarbeiterschaft.

Wir kämpfen seit dem 06. November im Haus Helena mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln an der Corona-Front. Mit Bekannt werden der ersten Infektion eines (symptomlosen) Mitarbeiters im Stichproben Screening durch das Gesundheitsamt Daun, wurde mit sofortiger Wirkung der Pandemieplan in der Einrichtung umgesetzt. Es wurden zwei Infektionsbereiche mit fester Personalbesetzung geschaffen, Vollschutzkleidung angeordnet, engmaschige Desinfektionspläne umgesetzt. Trotzdem war allen Beteiligten von Anfang an klar, dass es bei der Spezialisierung der Einrichtung auf dementiell veränderte Menschen, sehr schwierig wird das Infektionsgeschehen einzugrenzen.

Im Haus Helena leben in der überwiegenden Zahl Menschen mit ausgeprägten Verhaltensauffälligkeiten, häufig aus anderen Einrichtungen, die dort in klassischen Strukturen eines Seniorenheims, Kollegen an Ihre Grenzen gebracht haben. Diese Menschen können in unserem gelebten Hausgemeinschaftskonzept einfach „sein“ ohne ständig mit Ihren Defiziten konfrontiert zu werden. Die Tagesstruktur der Einrichtung gepaart mit Toleranz und Humor, lässt die Bewohner in der Regel zur Ruhe kommen. Sie fühlen sich zusehends sicher, können ankommen und gewinnen ihre emotionale Stabilität zurück.

Daraus erklärt sich von selbst, dass die Klientel im Haus Helena weder Masken trägt, noch nachhaltig dazu anzuleiten ist über den gesamten Tagesverlauf Hygienestandards einzuhalten. Die Isolation im Einzelzimmer, ein probates Mittel in klassischen Seniorenheimen, um die Infektionswelle zu brechen, ist bei der Klientel völlig indiskutabel. Bereits im großen Rahmen nehmen die Bewohner verschlossene Türen als Provokation wahr. Somit blieb, in Absprache mit dem Gesundheitsamt Daun, die Tagesstruktur in den Hausgemeinschaften für unsere Bewohner, abgesehen von der Vollschutzkleidung und den verstärkten Desinfektionsmaßnahmen, weitestgehend unverändert.

Wir verzeichneten bis zum 24.11.2020 einen exponentiellen Anstieg des Infektionsgeschehens und können mittlerweile bei deutlicher Abflachung der Infektionskurve, die seit dem 06.11. bestehenden Infektionsbereiche sukzessiv wieder in die Normalität zurückführen.

Es erfolgen in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt Daun, wöchentliche Abstriche aller Mitarbeiter und der Bewohner, der letzte am 02.12.2020.

Stand heute 11.00 Uhr sind:

  • Von insgesamt 77 Bewohner/innen waren insgesamt 70 positiv, davon sind 8 Todesfälle (86,87,79,64,95,76,90,90 Lebensjahren) mit bekannten Vorerkrankungen zu bedauern,
  • 42 Bewohner/innen sind laut PoC Schnelltest genesen, Von 75 Mitarbeiter/innen waren insgesamt 49 positiv, wovon 31 mittlerweile aus der Quarantäne entlassen sind.

Volle Unterstützung haben wir in dieser Zeit durch die Verbandsgemeinde Daun und dem Gesundheitsamt Daun erfahren. Erklärtes gemeinsamen Ziel war es, die anspruchsvolle Versorgung der verhaltensoriginellen Klientel unserer Einrichtung „Haus Helena“ sicherzustellen.

Wie in dem letzten erschienenen Artikel bereits erwähnt, hat die Bundeswehr unser Haus eine Woche lang, mit freiwilligen Soldaten bei den hauswirtschaftlichen Abläufen unterstützt.
Im ständigen Austausch mit dem Gesundheitsamt wurde zeitnah auf die täglichen Veränderungen reagiert, praxisorientierte Lösungen erarbeitet und umgesetzt.

Unter zur Hilfenahme von Honorarkräften mit den verbleibenden Teammitgliedern ist uns gelungen, die Schichten phasenweise zu verdoppeln und das gemeinsam, erklärte Ziel zu erreichen.

Besonders stolz bin ich als Geschäftsführerin und Leitung der Einrichtung auf den Kern unseres Pflegeteams, denn obwohl viele von uns Familienangehörige haben, die ebenfalls zu der Risikogruppen zählen, Sorgen und Ängste unseren Arbeitsalltag in den letzten Wochen begleitet haben, sind wir gemeinsam mit an die Grenzen gehendem Engagement durch diese Zeit gegangen.

Danke dafür!!!

Bedenklich empfinden mein Team und ich den derzeitigen Umgang des Themas:

Corona in Seniorenheimen in der Öffentlichkeit

Landesweit stellen sich Pflegeteams momentan der Herausforderung Corona erkrankte Menschen zu pflegen, und zu betreuen. Medial erscheint es so, als ob nach Schlagzeilen gesucht wird und tägliche Todesfallmeldungen, unterschwellige Fragen nach Schuld und Verantwortungslosigkeit, diese Schlagzeilen nähren.

Wir fragen uns an dieser Stelle, wo sind die gefeierten Helden des Alltags vom Frühjahr geblieben?

Wann hat man uns gegen reißerische Schlagzeilen ausgetauscht?

Ich bewege mich seit 28 Jahren in der Pflegelandschaft Deutschland, habe zwei Seniorenheime als Unternehmerin aufgebaut. Ich frage mich, bei dem sich seit Jahren verschärfenden Pflegenotstand bei einer gleichzeitig aktuellen, noch nie dagewesenen Krise diesen Ausmaßes, ob die momentane flächendeckende Art der Berichterstattung dazu beiträgt, junge Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern.

An dieser Stelle sollte sich jeder einmal die Frage stellen, wie gehe ich JETZT mit den Menschen um, die eventuell schon zurzeit Angehörige von mir pflegen, oder deren Hilfe ich eventuell zukünftig dafür brauche. Oder ganz weit hergeholt, wer soll mich qualitativ hochwertig pflegen, wenn ich Hilfe brauche.

„In Krisenzeiten beweist sich der Charakter des Einzelnen.“

Um es mit einem Zitat von Helmut Schmidt auf den Punkt zu bringen.

Vielen Dank für Ihr Interesse

Katja König